Was bringt die neue Abnehm-Spritze aus Amerika, Herr Dr. Heimann?

1. Februar 2023
Was bringt die neue Abnehm-Spritze aus Amerika, Herr Dr. Heimann?

Menschen mit Diabetes bereitet es oft sehr viel Mühe, an Gewicht zu verlieren. Darum werden viele Patienten schnell hellhörig, wenn sie von wirksamen Abnehm-Strategien erfahren. Die neueste Schlank-Hoffnung: Ein für Diabetes zugelassenes Mittel, das mittlerweile als Abnehm-Spritze verabreicht wird. Ob das Medikament wirklich hält, was es verspricht, verrät Allgemeinmediziner Dr. Dierk Heimann.

Allgemeinmediziner Dr. Dierk Heimann

Abnehmen ohne Sport und Diät, nur mit einer Spritze – das verspricht ein neuer Trend aus Amerika. Regelmäßig werde ich danach gefragt. Auch jetzt: „Herr Doktor, ich möchte diese Spritze ausprobieren, die nur einmal pro Woche gesetzt werden muss. Ich habe gelesen, dass man damit zehn bis 20 Kilo Fett loswird – und das innerhalb eines Jahres!“ Ich schaue in meine Akte. Meine Patientin wiegt bei einer Größe von 1,71 Metern etwas mehr als 82 Kilogramm – also etwas zu viel. „Sie meinen wahrscheinlich den Wirkstoff Semaglutid“, sage ich. „Er wurde ursprünglich gegen die Blutzuckerkrankheit Diabetes entwickelt. Solche sogenannten GLP-1-Agonisten verlangsamen die Magenentleerung, senken dadurch das Hungergefühl und verbessern die Insulinwirkung.“ Meine 48-jährige Patientin strahlt. „Genau! Das meine ich!“

Ein Wundermittel – auch für Diabetiker?

„Übergewichtige Menschen können dadurch abnehmen. Da gibt es gute Studien“, sage ich. Meine Patientin rutscht unruhig auf ihrem Sitz hin und her. „Aber bislang gibt es den Wirkstoff lediglich als Medikament gegen Diabetes. Zum Abnehmen ist die Wochenspritze in Deutschland noch nicht verfügbar. Nur in den USA ist das Medikament zum Abnehmen zugelassen und in den Apotheken erhältlich.“ Nun guckt meine Patientin enttäuscht. Deshalb hole ich noch einmal weiter aus. „Ich glaube, das Medikament wird falsch verstanden“, sage ich. „Es sollte nur bei stark übergewichtigen oder besonders gefährdeten Menschen eingesetzt werden. Denn es kann ernste Nebenwirkungen haben – zum Beispiel die Bildung von Gallensteinen oder eine Entzündung der Bauchspeicheldrüse. Dazu kommen Übelkeit, Verdauungsprobleme und Erschöpfung. Das ist kein Wundermittel.“

Abnehm-Alternativen

Meine Patientin bleibt hartnäckig. „Und was raten Sie mir stattdessen?“, fragt sie. „Ich werde meine Pfunde einfach nicht los!“ Ich lächle sie an. „Ein Wirkstoff zum Abnehmen wäre zum Beispiel das Liraglutid. Das ist bei uns zugelassen und verfügbar. Die Nebenwirkungen sind ähnlich, der Abnehmeffekt etwas geringer. Da Sie einen BMI über 27 und ein höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen aufweisen, wäre das möglich. Allerdings müssten Sie täglich spritzen und den Wirkstoff selbst zahlen – etwa 60 Euro pro Woche.“ Ich ahne, dass die Angestellte sich das nicht leisten kann. „2023 soll aber auch ein Abnehm-Programm der gesetzlichen Krankenkassen starten: DMP-Adipositas. Derzeit wird noch daran gearbeitet. Doch Sie können sicher sein, dass die empfohlenen Maßnahmen genau überprüft worden sind und zu Ihrer Situation passen. Zudem übernehmen die Krankenkassen die Kosten.“ Die Gesichtszüge meiner Patientin hellen sich auf. „Dann warte ich eben darauf, Herr Doktor. Sagen Sie mir Bescheid?“ Ich nicke.