Warum Diabetes oft nicht erkannt wird

2. November 2022
Warum Diabetes oft nicht erkannt wird

Zu hoher Blutzucker ist die Epidemie unserer Zeit. Anlass genug, um über eine verkannte Volkskrankheit aufzuklären. Alles, was Sie wissen müssen

Diabetes kommt auf leisen Sohlen. Weil die Erkrankung häufig keine Symptome mit sich bringt, wird ein Typ-2-Diabetes in vielen Fällen nur nebenbei entdeckt. Dass der Zucker und seine Abbauprodukte dann schon Schäden an vielen Körperzellen angerichtete haben, bemerken die Betroffenen oft erst spät. Bis zur Krankheitsdiagnose können durchaus zehn Jahre vergehen. Und zu dem Zeitpunkt sind die Blutgefäße oft schon geschädigt.

Zeitbombe Zucker

Genau das ist das Tückische: Der Körper merkt sich jede einzelne Überzuckerung („Zuckergedächtnis“) und präsentiert Jahre später die Folgen. Oft entdecken Ärzte die Krankheit bei einem Check-Up oder einer Blutabnahme vor einer Operation. Häufig werden die Zuckerkrankheit und ihre Vorstufen auch nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall diagnostiziert.

Die Zahlen sind besorgniserregend: Etwa 8,5 Millionen Deutsche leben mit einer Diabetes-Diagnose. Tendenz steigend. Und Experten gehen davon aus, dass weitere zwei Millionen erkrankt sind, ohne dies zu ahnen. Dabei entsteht der Diabetes nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel, sondern entwickelt sich langsam über Vorstufen. Dieser sogenannte Prädiabetes bezeichnet ein Vorstadium, bei dem die Krankheit noch nicht ausgebrochen ist, die Blutzuckerwerte aber bereits über dem Normalwert liegen (mehr dazu unten).

Dabei ist der Prädiabetes nicht einfach nur als gelbe Karte vor der eigentlichen Diabetes-Diagnose zu verstehen. Denn wer nichts unternimmt, wird nicht nur mit einer Wahrscheinlichkeit von zehn bis 30 Prozent zeitnah Diabetes entwickeln. Mittlerweile wissen Mediziner auch, dass bereits geringfügig erhöhte Blutzuckerwerte das Risiko für schwerwiegende Folgeerkrankungen wie z. B. Herz-Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfälle, chronische Nierenerkrankungen, Demenz oder Krebs erhöhen. Prädiabetes ist somit viel gefährlicher als bisher angenommen.

Warnzeichen erkennen – und gegensteuern

Das Dilemma dabei ist, dass eine Diabetes-Vorstufe zunächst keine Symptome verursacht. Selbst ein Typ-2-Diabetes macht in der Anfangsphase häufig keine Beschwerden – allenfalls sind die Anzeichen wenig ausgeprägt und steigern sich erst nach und nach. Erst bei einem länger anhaltenden Diabetes kommt es (meist) zu deutlicheren Symptomen. Dazu gehören unter anderem ständiger Durst, häufiges Wasserlassen, Schwäche, Juckreiz, Sehverschlechterung und Infektanfälligkeit. Da sich Zuckerkranke lange Zeit recht wohlfühlen, sind regelmäßige Vorsorge-Untersuchungen beim Arzt (mindestens alle zwei Jahre) so wichtig. Der Gesundheits-Check-up etwa bietet die Möglichkeit, die Blutzuckerwerte zu erfassen und einen Prä-Diabetes frühzeitig zu erkennen. Ein simpler Bluttest mit weitreichenden Folgen für die Gesundheit: Denn wer seinen Lebensstil jetzt anpasst, kann die Zügel noch herumreißen und den Ausbruch der Krankheit verhindern.


Diabetes nach Corona-Infektion

Diagnose_Diabetes_Corona

Zuckerkranke Menschen haben ein höheres Risiko, schwer an COVID-19 zu erkranken – das ist inzwischen bekannt. Die beiden Krankheiten stehen allerdings in wechselseitiger Beziehung zueinander. Denn Untersuchungen zeigen, dass eine Covid-19-Infektion Diabetes auch auslösen kann.

Das Risiko für einen Diabetes-Typ-2 ist um 28 Prozent erhöht – und das schon bei einem milden Verlauf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Diabetes-Zentrums.Hintergrund: Forscher vermuten, dass eine Corona-Erkrankung die insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse schädigen kann, was einen erhöhten Blutzucker zur Folge hat.

Habe ich Long Covid oder Diabetes?

Das Tückische dabei: Symptome wie Abgeschlagenheit, Müdigkeit und Schwäche können sowohl
nach einer Covid-19-Erkrankung als Corona-Langzeitfolge als auch bei Typ-2-Diabetes auftreten.
Experten raten daher Betroffenen und behandelnden Ärzten, nach einer Corona-Infektion unbedingt auch ein Diabetes-Screening mit Langzeitblutzuckermessung durchzuführen.


Empfehlung von Dr. Jens Kröger

Abbild von dem Doktor Jens Kröger

Dr. Jens Kröger ist niedergelassener Diabetologe aus Hamburg und Vorstandsvorsitzender von diabetesDE – Deutsche Diabetes-Hilfe

Was empfehlen Sie Diabetikern bei einer Covid-19-Erkrankung, Herr Dr. Kröger?

„Für Menschen mit Diabetes (alle Typen) ist es wichtig zu wissen, dass sich COVID-19 negativ auf die Stoffwechsellage auswirken kann. Das bedeutet: Je nach Therapieform kann es zu extremen Stoffwechselentgleisungen kommen. Die an COVID-19 erkrankten Menschen mit Diabetes sollten dann telefonisch oder per Videosprechstunde Rücksprache mit ihrem behandelnden Hausarzt/Diabetes-Team halten. So sind Betroffene gut für die Quarantäne vorbereitet. Im Falle einer Infektion sollte der Blutglukosewert idealerweise zwischen 70 und 180 mg/dl bzw. 3,9 und 10 mmol/dl und der Langzeitblutzuckerwert HbA1c unter 7,5 liegen.  Liegt ein schwerer Krankheitsverlauf vor, sollte eine bestehende Therapie mit Tabletten durch eine Insulintherapie ersetzt werden. Dadurch sind weniger Nebenwirkungen zu befürchten und die Glukosewerte können einfacher überwacht werden.“