Den kleinen Unterschied – gibt es ihn auch bei der Zuckerkrankheit? Ja, sagen Experten. Denn egal ob Risikofaktoren, Diagnose oder Therapien – Frauen sind hier oft im Nachteil. Worauf Diabetikerinnen unbedingt achten sollten
Höhere Stimme, weniger Haarwachstum, kleinere Füße – all das trennt Frauen und Männer schon auf den ersten Blick voneinander. „Obwohl die Unterschiede so offensichtlich sind, behandeln wir die Geschlechter in der Medizin häufig gleich. Das ist absurd!“, stellt Dr. Franziska Rubin fest. Denn die körperliche Verschiedenheit wirkt auf alle Bereiche einer Diabeteserkrankung.
Nicht nur von außen sind wir verschieden, auch innerlich liegen Welten zwischen den Geschlechtern. „Frauen haben eine schlechtere Grundausstattung als Männer, wenn es um eine Diabeteserkrankung geht. Denn sie haben zehn Prozent mehr Fettgewebe und zugleich etwa 25 Prozent weniger Muskeln“, betont Dr. Rubin. „Bei weniger Muskeln gibt es weniger Gewebe, in das der Zucker nach der Mahlzeit transportiert und dort verbrannt werden kann.“ Die Folge: Der Blutzucker sinkt beim weiblichen Geschlecht nach dem Essen langsamer als bei Männern. Dennoch haben alle Frauen vor den Wechseljahren auch einen gewissen Schutz vor einem Typ-2-Diabetes durch das weibliche Hormon Östrogen. Es wirkt positiv auf den Zuckerstoffwechsel. Nach der Menopause und damit zusammenhängenden körperlichen Veränderungen (z.B. Zunahme des Bauchfetts) steigt das Diabetesrisiko jedoch bei Frauen enorm an. Hier lässt sich zum Glück mit Vorsorgemaßnahmen beim Hausarzt und Tipps gegensteuern.
Männer erhalten ihre Diabetesdiagnose im Schnitt bereits zwei Jahre früher als Frauen – bei ihnen vergehen etwa acht Jahre bis zur Entdeckung der Erkrankung, beim weiblichen Geschlecht etwa zehn Jahre. Nur woran liegt es, dass Typ-2-Diabetes bei Frauen so viel später erkannt wird? Eine Schlüsselrolle kommt dabei dem konventionellen Diagnoseverfahren zu, das nicht optimal auf Frauenkörper ausgelegt ist. Beim Standardtest auf Diabetes, dem Nüchternblutzucker, wird der Blutzucker mithilfe einer Blutentnahme untersucht. Dabei sind die Ergebnisse von Frauen häufiger unauffällig. Der Glukosetoleranztest hingegen gibt Frauen am besten Aufschluss, da sich der Diabetes-Typ-2 laut Studien bei ihnen häufig in einem starken Glukoseanstieg nach einer Mahlzeit offenbart. Fragen Sie deshalb bei Ihrem Hausarzt gezielt nach dem Glukosetoleranztest, der bei konkretem Diabetesverdacht eine Kassenleistung ist.
Aber nicht nur das ungünstige Diagnoseverfahren sorgt für eine spätes Erkennen der Zuckerkrankheit. Ein weiterer Grund ist, dass die Symptome einer Zuckerkrankheit oft sehr vage sind. „Denn Juckreiz, Durst, Schwäche und eine Reizblase können auf viele Krankheiten hindeuten und sind noch dazu leicht zu überhörende ‚Frauenbeschwerden‘“, erklärt Dr. Rubin. „Bei diesen Symptomen, langsamer Wundheilung und häufigen Pilzinfektionen sollte auf jeden Fall an einen Diabetes gedacht werden!“
Zugegeben, Sport im Alltag unterzubringen fällt uns allen schwer. Dass darunter besonders der Körper von Frauen mit Kindern und in Vollzeitjobs leidet, zeigen Studien. Die fehlende Bewegung kann dabei auch nicht durch die gesündere Ernährungsweise bei Frauen ausgeglichen werden. “Mangelnde körperliche Betätigung ist mindestens ein genauso wichtiger Trigger für Diabetes wie eine schlechte Ernährung. Ich empfehle daher Bewegung in die tägliche Routine einzubauen. Denn jede Aktivität baut Muskeln auf, Fett ab und sorgt für eine gute Durchblutung. So geht der Zucker wieder besser in die Zelle und der Zuckerstoffwechsel verbessert sich“, betont Dr. Rubin. Tipp für eine bewegten Routine: Zum Beispiel Treppe statt Fahrstuhl, ein tägliches Schrittziel von 7.000 Schritten einplanen, beim Telefonieren oder nach dem Abendessen einen Spaziergang machen oder einen Hund anschaffen.
Frauen gelten allgemein als ernährungsbewusster als Männer, dennoch fällt ihnen das Abnehmen deutlich schwerer. Besonders Softdrinks, von denen jeder Deutsche im Durchschnitt etwa 65 Liter im Jahr trinkt, wurden in Studien bei Frauen als Diabetes anfeuerndes Getränk identifiziert. Denn die Zuckerbomben halten den Insulinspiegel oben, was abnehmen schier unmöglich macht. Außerdem machen sie hungrig und haben selbst viele Kalorien – beides macht dick, was wiederum die Zuckerkrankheit begünstigt.
Tipp: Softdrinks durch Saftschorlen oder zuckerfreie Getränke oder am besten Wasser austauschen.
Einige Studien offenbaren, dass durch das Rauchen von Zigaretten, Insulinrezeptoren im Körper geschädigt werden. Diese sorgen normalerweise dafür, dass das blutzuckersenkende Hormon Insulin seine Wirkung entfalten kann. Wegen der schädigenden Wirkung haben Raucher ein doppelt so hohes Risiko einen Typ-2-Diabetes zu entwickeln. Da Frauen mehr Körperfett besitzen, lagern sich bei ihnen Chemikalien aus der Zigarette besonders stark an.
Tipp: Laut Studienergebnissen haben Ex-Raucher nach etwa sechs Jahren kein erhöhtes Risiko für Typ-2-Diabetes mehr. Das nach dem Rauch-Stopp zunächst bestehende Risiko, liegt vor allem an den anfänglichen Extra-Kilos. Dennoch macht es Sinn zukünftig auf den Glimmstängel zu verzichten.
Diabetes kann auch durch die Einnahme bestimmter Medikamente ausgelöst werden. Cortison, Beta-Blocker und Antidepressiva sind dabei Arzneien, die von Frauen häufiger als von Männern eingenommen werden. Dadurch, dass die Präparate in die Vorgänge des Körpers eingreifen und negativ auf den Zuckerstoffwechsel wirken, können sie Diabetes fördern.
Die von Medikamenten ausgelöste Diabetes-Erkrankung verschwindet allerdings häufig nach dem Absetzen der Arzneimittel wieder.
Die bei Frauen besonders verbreiteten Erkrankungen können das Diabetesrisiko anheizen. Vor allem die Binge-Eating-Störung, bei der exzessive, unkontrollierte Essanfälle stattfinden, birgt laut Studienergebnissen bei Frauen ein immenses Diabetesrisiko. Betroffene leiden in der Folge zusätzlich häufig an depressiven Symptomen und einer schlechteren Lebensqualität. Durch professionelle Beratung und Behandlung bestehen gute Heilungschancen.
Damit sich Frauen besser gegen geschlechtsspezifische Nachteile wappnen können, bietet ihnen vor allem die Naturheilkunde einen riesigen Schatz an Behandlungsmöglichkeiten. Auf diese Weise lässt sich der weibliche Körper entsprechend unterstützen und von innen heraus stärken. Der Geheimtipp von Dr. Rubin: „Bitterstoffe, Ingwer und Kurkuma haben eine antidiabetische Wirkung. Und auch Zimt wird in der traditionell indischen Heilkunst Ayurveda bei Diabetes eingesetzt.“
Weitere wirksame Anwendungstipps aus der Naturheilkunde finden Sie in dem Buch „Die bessere Medizin für Frauen“ von Dr. Franziska Rubin. Die TV-Medizinerin rät außerdem dazu, persönliche Unsicherheiten und Hemmungen im Arztgespräch abzulegen: „Scheuen sie sich nicht, mit ihrem Arzt über Therapieformen zu sprechen, der informierte Patient lebt länger.“