Sind die Filmrollen von Tom Hanks (60) Schuld an seiner Diabetes-Erkrankung? Wir haben dazu den Diabetes-Experten Dr. Jens Kröger befragt
Drei der wichtigsten Sätze im Leben des Tom Hanks lauten: „Der Oscar für den besten Hauptdarsteller geht an: Tom Hanks.“ Er hört ihn einmal für „Philadelphia“, einmal für „Forrest Gump“. Und der dritte Satz? „Stammt von meinem Arzt und zufällig aus demselben Jahr“, erklärt Tom Hanks. „Er sagte: ,Du hast deutlich erhöhte Blutzuckerwerte.‘“
„Wirklich jeder, der so etwas hört, sollte sein Leben sofort grundlegend ändern“, sagt der Diabetologe Dr. Jens Kröger. Doch Tom Hanks ändert gar nichts. Im Gegenteil: Er gibt weiterhin alles für seine Rollen – vor allem auch körperlich. „Ich war ein Idiot. Sie müssen sich nur meine Filme anschauen, um das zu erkennen. Viel zu dick, kurz darauf extrem dünn. Immer so, wie es der Film verlangte.“
Das Problem: Diese entscheidenden Worte liegen mehr als 20 Jahre zurück, als ein vierter Satz dazukommt: „Kürzlich fragte mich mein Arzt, ob ich mich noch daran erinnern könnte, dass er mir mal gesagt hatte, ich hätte erhöhte Zuckerwerte“, erzählt Hanks. „‚Ja‘, antwortete ich. Er lächelte bitter. ‚Glückwunsch. Du bist aufgestiegen. Jetzt hast du Diabetes Typ 2. Du solltest jetzt wirklich dringend abnehmen!‘“
Tatsächlich ist dieser Ratschlag einer der drei elementaren Bestandteile im Kampf gegen Diabetes. Die anderen beiden sind möglichst viel Bewegung und Medikamente. Damit lässt sich die Krankheit heilen? „Nein“, sagt Dr“. Kröger. „Die Schäden, die der Diabetes im Körper anrichtet, sind unumkehrbar. Mit den Maßnahmen können die Patienten lediglich den Zeitpunkt hinauszögern, an dem die Folgen dieser Schäden zum Tragen kommen.“
Dabei hätte Tom Hanks die endgültige Diagnose höchstwahrscheinlich verhindern können. „Denn jemand, dem mitgeteilt wurde, dass seine Werte zu hoch sind, hat sehr gute Chancen, selbst etwas zu tun und die Krankheit zu verhindern“, sagt Dr“. Kröger. Warum aber ignorieren Superstars wie Tom Hanks und Millionen andere den Rat ihrer Ärzte? Warum verharmlosen sie eine Krankheit, deren Verlauf die Nerven, die Nieren, Herzund Hirngefäße so massiv schädigt, dass das Leben immer mehr zur Qual wird?
Zunächst einmal wird Diabetes 2 in Deutschland durchschnittlich acht Jahre zu spät erkannt“, erklärt der Diabetologe. „Die Patienten wissen nicht einmal, dass sie Blutzuckerwerte haben, die von jedem Arzt als Diabetes 2 diagnostiziert würden. Das sind derzeit zwei Millionen Menschen in Deutschland!“ Die Diagnosen werden nicht gestellt, weil die Erkrankten nichts von der Krankheit spüren. Die Schäden sind noch zu gering, als dass sie Probleme verursachen würden. Doch genau in diesen Jahren hat der Zucker Zeit, die feinsten Nerven und Gefäße anzugreifen.
Aber gibt es denn wirklich gar keine Anzeichen für erhöhte Blutzuckerwerte? „Echte Sicherheit bietet nur ein Blutwert“, sagt der Mediziner. Denn Diabetes 2 zeigt sich durch sehr unspezifische Symptome, Betroffene fühlen sich zum Beispiel oft müde und weniger leistungsfähig. Auch Hautausschläge gehören zu den möglichen Symptomen. Auffällig ist, wenn Patienten plötzlich sehr viel Durst haben und häufig zur Toilette müssen. Diabetiker nehmen oft auch unbeabsichtigt ab. Bei Frauen mit Diabetes mellitus ist gelegentlich der Menstruationszyklus beeinträchtigt, bei betroffenen Männern können Potenzstörungen zu den Diabetes-Symptomen gehören.
Die genauen Ursachen unterscheiden sich, je nachdem, welche Diabetes-Form vorliegt: Bei Diabetes Typ 1 produzieren die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr. Mediziner sprechen daher bei Typ-1-Diabetes von einem absoluten Insulinmangel. Grund für die Schädigung der Beta-Zellen und damit Diabetes-Ursachen bei Typ 1 sind meistens Autoimmunreaktionen. Das bedeutet, dass das körpereigene Abwehrsystem eigenes Gewebe – in diesem Fall die Beta-Zellen – angreift. Davon sind allerdings nur fünf Prozent aller Diabetes-Patienten betroffen.
Wesentlich häufiger ist der Typ 2. Hier kommen mehrere Ursachen zusammen, die individuell unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Erstens eine Insulinresistenz. Das bedeutet, dass die Zellen nicht ausreichend und zunehmend schlechter auf vorhandenes Insulin reagieren. Deshalb sind immer größere Insulinmengen notwendig. Zweitens kann eine verminderte Produktion der Hormone Insulin und seines Gegenspielers Glukagon in der Bauchspeicheldrüse vorliegen. Die beiden Hormone regulieren die Aufnahme von Zucker (Glukose) in die Zellen.
Eine weitere Ursache: Die Insulin produzierenden Zellen sterben langsam ab, wodurch die Bauchspeicheldrüse immer weniger und irgendwann überhaupt kein Insulin mehr bildet. Außerdem gibt es verschiedene Risikofaktoren, die Typ 2 Diabetes begünstigen. Die beiden wichtigsten sind Übergewicht und zu wenig Bewegung. Fakt ist: Rund 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig.
Abnehmen hilft also? „Definitiv“, sagt Dr. Kröger. „Je höher mein Gewicht ist, desto schlechter kann die Zelle Insulin erkennen. Die Zelle öffnet sich nicht und lässt den Zucker nicht hinein. Dann sprechen wir von einer Insulinresistenz. Nehme ich ab, wird die Insulinresistenz besser.“ Und dann habe ich keinen Diabetes mehr? „Doch. Ist die Diagnose Diabetes einmal gestellt worden, bleibt sie. Es gibt zwar immer wieder Phasen, in denen die Werte normal sind, weil die Betroffenen tun, was sie tun sollen: Gesunde Ernährung, Bewegung, Übergewicht reduzieren. Dann können die Werte eine gewisse Zeit lang normal sein. Es ist jedoch ein fataler Irrglaube, dass man dann gesund sei. Die Krankheit ist nicht heilbar. Es ist eine ernste chronische Krankheit, die jeder Patient bis an sein Lebensende hat.“
„Meine wichtigste Kraftquelle im Umgang mit Diabetes ist meine Familie“, sagt Tom Hanks. Der Diabetologe bestätigt das: „Studien haben zudem ergeben, dass Angehörige sehr gern unterstützen wollen. Aber häufig wissen sie gar nicht, wie. Dabei gibt es Schulungen für die Patienten. Daran sollte unbedingt auch die Familie teilnehmen. Sie sollte wissen, was im Körper passiert und warum. Die meisten glauben das eine Stück Torte sei der Feind, und verbieten es. Dabei geht es nicht um solche Ausnahmen. Diabetiker dürfen Zucker essen. Wesentlich wichtiger die Motivation zu Bewegung und insgesamt gesundem Essen. Die Diagnose sollte idealerweise immer mit einer Änderung der Verhaltensweisen einhergehen. Und das ist eben ziemlich schwer.“
Bereits 1992 nimmt Tom Hanks 14 Kilo zu, um Baseball-Coach Jimmy Dugan in „A League of Their Own – Eine Klasse für sich“ zu verkörpern. Kurz darauf startet er eine Radikaldiät für die Rolle in „Philadelphia“: Zwölf Kilo weniger sind gewünscht. Für „Cast Away“ futtert er sich in Rekordzeit 23 Kilo an. Dann werden die Dreharbeiten für vier Monate unterbrochen, damit er sich von 102 auf 77 Kilo hungern kann. Die Folgen all dieser Gewichtsveränderungen? „Wer wie Tom Hanks bereits weiß, dass er hohe Blutzuckerwerte hat, und trotzdem so viel zunimmt, der handelt grob fahrlässig“, sagt Dr. Kröger.
„Das Wichtigste ist, sein Risiko zu erkennen“, sagt der Diabetologe Dr. Jens Kröger. „Gehen Sie auf www.2mio.de. Dort finden Sie einen wissenschaftlich abgesicherten Fragebogen. Je nach Ergebnis gehen Sie danach bitte zu Ihrem Hausarzt. Grundsätzlich hat jeder ab 35 Jahren die Möglichkeit, sich alle zwei Jahre von seinem Hausarzt durchchecken zu lassen. Dieser bestimmt den Nüchternblutzucker und den HBA 1C-Wert – das Blutzucker-Langzeitgedächtnis. Ist der Nüchtern-Blutzucker über 126 mg/dl und HBA1C-Wert über 6,5 Prozent, lautet die Diagnose Diabetes Typ 2. Liegt der Nüchtern-Blutzucker im Bereich zwischen 100 bis 125 mg/dl und der HBA1C-Wert zwischen 5,7 und 6,4 Prozent, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, das ich irgendwann Diabetes bekomme.“