Insulin: Alles Wissenswerte für Diabetiker

Carola Felchner
12. Juni 2018
Insulin: Alles Wissenswerte für Diabetiker

Insulin ist ein Hormon, das im menschlichen Körper für Stoffwechselvorgänge verantwortlich ist. Seine Hauptaufgabe ist es, Glukose (Traubenzucker) durch das Blut in die Zellen zu schleusen. Dort fungiert die Glukose als Energielieferant. Bei Patienten mit Diabetes kann der Körper aber nicht mehr genügend Insulin produzieren – deshalb müssen Betroffene sich das Hormon zusätzlich spritzen. Was Sie noch über Insulin wissen sollten, erfahren Sie hier.

Inhalt:


Insulin: Allgemeine Informationen

Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Insulin-Gruppen: Humaninsulin und Analoginsulin. Ersteres ist so zusammengesetzt wie das menschliche Insulin, daher der Name. Es wird meist gentechnisch hergestellt und braucht länger, um ins Blut zu gelangen. Das liegt daran, dass es nicht von der Bauchspeicheldrüse direkt ins Blut und mit ihm in Leber und Muskulatur gelangt, sondern in die Haut injiziert wird. Dadurch „klammern“ sich die Insulinmoleküle in kleinen Sechsergruppen zusammen (Hexamere), die der Körper erst wieder auflösen muss, um das Insulin aufnehmen zu können.

Analoginsuline haben eine veränderte Struktur, die erreicht wird, indem einzelne Aminosäuren ausgetauscht werden. So kann die Dauer, bis das Insulin wirkt, verkürzt oder verlängert werden.

Typ-1-Diabetiker benötigen zum einen sowohl langwirkendes Insulin, um ihren Basisbedarf zu decken. Zum anderen auch kurzwirksames Insulin, um die Auswirkung von Mahlzeiten auf dem Blutzuckerspiegel auszugleichen.

Kurzwirkende Insuline

Es gibt Insuline, die quasi sofort und bis maximal vier Stunden wirken und Insuline, die nach 15 bis 20 Minuten effektiv werden und bis zu acht Stunden bleiben. Der Spritz-Ess-Abstand lässt sich so vernachlässigen beziehungsweise auf, je nach Ausgangsblutzuckerwert, zehn bis 20 Minuten verkürzen. Wie viel Zeit zwischen Insulingabe und Mahlzeit liegen sollte, ist jedoch individuell verschieden. Diabetiker sollten dies mit ihrem Arzt besprechen. Und: Auch akute Blutzuckerschwankungen lassen sich mit solchen kurz- oder auch schnellwirkenden Insulinen korrigieren.

Langwirkende Insuline

Diese auch Basalinsuline genannten Produkte decken den Grundbedarf ab. Sie wirken erst nach frühestens einer Stunde, bleiben aber bis zu 24 Stunden effektiv. Langwirkende Insuline verhindern zum Beispiel, dass Diabetes-Patienten nachts in eine Unterzuckerung rutschen. Der Grundbedarf sollte möglichst so berechnet sein, dass der Blutzuckerwert den ganzen Tag über im normalen Bereich bleibt.

Zu den Basalinsulinen gehören auch die sogenannten Verzögerungsinsuline. Diese Insulingruppe liegt in der Wirksamkeit zwischen kurz- und langwirkendem Insulin, weshalb sie auch Intermediärinsulin genannt wird. Sie fangen nach eineinhalb bis zwei Stunden an zu wirken und halten um die 12 bis 20 Stunden an. Es gibt verschiedene Arten:

  • NPH-Insulin: dieses Humaninsulin wird an das Eiweiß Protamin gebunden. Es kann mit normal- oder schnellwirksamen Analoginsulinen kombiniert werden (Mischinsulin) und ist der Standard zur Grundbedarfsdeckung.
  • Surfen: nicht der Sport ist gemeint, sondern die gleichnamige synthetische Substanz. Inzwischen kaum noch in Gebrauch.
  • Zinkverzögertes Insulin: hergestellt aus Insulinmolekülen mit Zinkionen. Wirkdauer bis zu 24 Stunden, sodass nur eine Injektion pro Tag notwendig ist. Die Verträglichkeit ist unterschiedlich gut.

Mischinsuline

Bestehen aus schnellwirksamem und Verzögerungsinsulin. Dadurch ist die Behandlung recht einfach, weil ein Produkt beide Wirksamkeiten abdeckt. Kommt meist in der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT) zum Einsatz.

Das bewirkt die Insulingabe bei Diabetikern

Bei Typ-1-Diabetikern stellt die Insulintherapie den Normalzustand wieder her und hält die Blutzuckerwerte im normalen Bereich. Im Zuge der intensivierten konventionellen Insulintherapie (ICT), die heute Standard ist, wird morgens und abends der Grundbedarf mit Verzögerungsinsulin gedeckt, vor den Mahlzeiten injiziert der Patient zusätzlich kurzwirksames Insulin, um Blutzuckerschwankungen auszugleichen. Alternativ können Betroffene den Insulinbedarf über eine Pumpe regulieren lassen, die über 24 Stunden hinweg mit kurzwirksamem Normalinsulin versorgt und bei körperlicher Aktivität oder Mahlzeiten per Knopfdruck eine „Extraportion“ abgibt.

Bei Diabetes Typ 2 ist es nicht immer (gleich von Diagnosestellung an) notwendig Insulin zu verabreichen. Zumindest eine Zeit lang lassen sich die Blutzuckerwerte manchmal auch mit ausgewogener Ernährung, Bewegung und Gewichtskontrolle im Griff behalten. Notwendig wird eine Gabe, wenn zum Beispiel

  • Die Langzeitblutzuckerwerte sich nicht in den gewünschten Bereich bewegen.
  • Der Betroffene ungewollt viel Gewicht verliert oder Anzeichen einer schlechten Diabeteseinstellung wie Infektanfälligkeit, Nervenschmerzen oder Müdigkeit auftreten.
  • Aceton und Harnzucker im Urin nachweisbar sind.

Insulin richtig spritzen Schritt für Schritt

Sich selbst eine Spritze zu geben, gehört für Diabetiker zum Alltag. Die richtige Technik ist wichtig, um Schmerzen gering zu halten und eine optimale Wirkung des Insulins zu erzielen. Wir zeigen Ihnen in unserer Anleitung Schritt für Schritt, wie Sie Insulin richtig spritzen.

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Die richtige Technik ist beim Spritzen von Insulin sehr wichtig.

Meist spritzen sich laut der Deutschen Diabetes-Hilfe Patienten das Insulin selbst: mehrheitlich mit einem sogenannten Pen ins Unterhautfettgewebe (subkutan). Wichtig ist dabei, dass die Nadel lang genug ist, um durch die Haut zu dringen und das Insulin nicht ins Muskelgewebe injiziert wird, sonst gelangt es eventuell zu schnell und schlecht vorhersehbar in den Blutkreislauf. Stellen wie Bauch (kurzwirksames Insulin), Oberschenkel oder Po (langwirksames Insulin) sind deshalb geeignete Stellen, um eine Injektion zu setzen.

Wichtig: Um abschätzen zu können, wann das Insulin anfängt zu wirken, sollte man es immer zur gleichen Uhrzeit in den gleichen Bereich injizieren, wobei die Körperseite oder die Stelle um ein paar Zentimeter verändert werden können, um zu verhindern, dass das Unterhautfettgewebe verhärtet.

Insulin: die richtige Menge bestimmen

Wie viel Insulin ein Diabetes-Patient vor einer Mahlzeit injizieren muss, richtet sich nach der Menge der Kohlenhydrate im jeweiligen Gericht. Außerdem beeinflussen (geplante) körperliche Aktivität, eventuelle andere Krankheiten oder Medikamente sowie der Eiweiß- und Fettgehalt des Essens die Insulinmenge.

Mittels der Werte „Broteinheiten (BE)“ und „Kohlenhydrateinheiten (KH)“ können Diabetes-Patienten die richtige Insulinmenge berechnen: 1 BE entspricht 12 Gramm Kohlenhydraten, 1 KE rund 10 Gramm, obwohl beide in der Praxis meist gleichwertig behandelt werden. Je nach Körperumfang muss 1 BE mit 0,5 bis einer Insulineinheit kompensiert werden. Ist nach dem Blutzuckermessen vor dem Essen der Blutzuckerwert im Normbereich, würden bei 3 BE und einem Faktor von 0,5 also 1,5 Insulineinheiten verabreicht. Ist der Blutzuckerwert deutlich über dem gewünschten Bereich, kommt ein individueller Korrekturfaktor zum Einsatz, der mit einbezieht, um wie viel Milligramm pro Deziliter beziehungsweise Millimol pro Liter eine Insulineinheit den Blutzucker senkt.

Und so geht’s: 

  • Bei Pens mit Patrone muss diese zuerst eingesetzt werden. Nehmen Sie dazu die Kappe des Pens ab und schrauben den Patronenhalter ab. Kontrollieren Sie, ob die neue Insulinpatrone unbeschädigt ist und schieben Sie diese dann mit dem Endstück zuerst in die Halterung des Pens und schrauben ihn wieder zu.
  • Nehmen Sie eine frische Nadel und setzten diese vorne auf den Pen.
  • Entlüften Sie den Pen: Halten Sie den Pen mit der Nadel nach oben, stellen ein bis zwei Einheiten Insulin ein und klopfen mit dem Finger leicht dagegen, um Luftblasen im Insulin zu lösen. Drücken dann den Knopf, bis ein paar Tropfen Insulin aus der Nadel kommen.
  • Stellen Sie über das Einstellrädchen neben dem Sichtfenster des Pens die Insulinmenge ein, die Sie spritzen wollen. Die richtige Dosis bestimmen Sie in Absprache mit Ihrem Diabetologen.
Mithilfe des Einstellrädchens neben dem Sichtfenster lässt sich die richtige Menge Insulin einstellen.
  • Drücken Sie mit Daumen und Zeigefinger eine Hautfalte an Bauch, Oberschenkel oder Gesäß zusammen. Achten Sie darauf, dass die Einstichstelle sauber ist oder besprühen Sie diese mit Hautdesinfektionsmittel, das vor dem Spritzen getrocknet sein sollte. Beachten Sie: Am Bauch wirkt das Insulin schneller als im Oberschenkel oder Gesäß. Deshalb spritzen die meisten Diabetiker das Insulin vor den Mahlzeiten in die Bauchregion. Um Blutzuckerspitzen zu vermeiden, sollten Sie auf die richtige Ernährung bei Diabetes achten.
  • In Oberschenkel und Gesäß wirkt es für einen längeren Zeitraum, weshalb viele Patienten ihr Insulin für die Nacht dort injizieren.
  • Stechen Sie die Nadel dort zügig in die Haut. Achten Sie auf einen Winkel von 45 oder 90 Grad.
  • Drücken Sie den Druckknopf bis zum Anschlag durch, um das Insulin in das Unterhautfettgewebe zu spritzen.
  • Zählen Sie im Kopf bis zehn, bevor Sie die Nadel herausziehen. So verhindern Sie ein Auslaufen des Insulins und es kann sich im Gewebe verteilen.
  • Lassen Sie die zusammengedrückte Hautfalte los und ziehen Sie zeitgleich die Nadel heraus.
  • Setzten Sie die Schutzklappe wieder auf die Nadel.

Tipps für Diabetiker: so spritzen Sie Insulin richtig

  • Beachten Sie, dass die Einstichstelle nicht verdickt ist und dass keine Verletzungen, blauen Flecken, Krampfadern und Blutergüsse zu sehen sind.
  • Injektionsnadeln sollten nur einmal verwendet werden, da sie sich sehr leicht verformen. Das macht das Spritzen schwieriger und schmerzhafter.
  • Je dicker die Fettschicht, desto geringer ist das Risiko, ins Muskelgewebe zu stechen. Das ist zu einen schmerzhaft und zum anderen gelangt das Insulin dann schneller als sonst ins Blut und kann Ihren Blutzuckerspiegel zu stark absinken lassen.
  • Wechseln Sie regelmäßig die Einstichstelle, um die Haut nicht zu überreizen und eine Narbenbildung zu vermeiden. Die neue Einstichstelle sollte mindestens zwei Zentimeter von der alten entfernt sein. Sie können zum Beispiel am Bauch im Uhrzeigersinn vorgehen.
  • In einer Diabetes-Schulung lernen Patienten den richtigen Umgang mit ihrer Erkrankung.

Insulinpumpe oder Insulinpen?

Muss man als Diabetiker Insulin zuführen – sei es, weil die Bauchspeicheldrüse das Hormon nicht selbst produziert (Diabetes mellitus Typ 1), oder in späteren Phase des Diabetes mellitus Typ 2 , bei dem die Körperzellen schlechter auf Insulin ansprechen – geschieht dies meist über die intensivierte Insulintherapie (ICT). Das ist eine Methode, bei der sich Patienten kurz- und langwirkendes Insulin verabreichen und die flexibler ist als die konventionelle Therapie. Durchführen lässt sich die ICT entweder mit Insulinpens oder einer Insulinpumpe.

Die Vor- und Nachteile eines Insulinpens
Beim Durchführen der intensivierten Insulintherapie (kurz ICT) kann zwischen Insulinpen und Insulinpumpe gewählt werden.

Was ist ein Insulinpen?

Der sogenannte Insulinpen ist das hierzulande gängigste Hilfsmittel, um sich Insulin zu verabreichen. Laut Deutscher Diabetes-Hilfe verwenden ihn in Deutschland 95 Prozent der insulinpflichtigen Diabetiker. Seinen Namen hat das spritzenähnliche Gerät seiner Form zu verdanken, die an einen Stift beziehungsweise Füllfederhalter (engl.: Pen) erinnert.

Er funktioniert nach einem vereinfachten Spritzenprinzip: der Patient steckt eine Insulinpatrone hinein, drückt auf einen Knopf und eine sehr dünne Nadel injiziert den Patroneninhalt unter die Haut. Diese Nadeln sind für gewöhnlich so fein geschliffen, dass der Einstich kaum zu spüren ist.

Heutzutage gibt es verschiedene Pen-Modelle: aus Plastik oder aus Metall, halb- und vollautomatische Versionen, welche für den Einmal- oder Mehrfachgebrauch und vorgefüllte Fertigpens.

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Durch das Drücken eines Knopfes injiziert eine dünne Nadel das Insulin.

Die Vorteile eines Insulinpens

Fertigpens…

  • müssen im Gegensatz zu Spritzen nicht per Hand aufgezogen werden
  • ermöglichen, die Dosis exakt einzustellen
  • sind einfach zu bedienen
  • müssen nicht dauerhaft am Körper getragen werden
  • sind unkompliziert zu transportieren

Die Nachteile des Pens für Diabetiker

  • Patienten müssen daran denken, den Pen auf Reisen etc. mitzunehmen und daran, das Insulin zu spritzen
  • Meist sind mehrere Pens für verschiedene Insulinarten notwendig
  • Das Injizieren erfordert etwas Übung (ggf. trifft man anfangs einen Muskel)

Insulinpumpe – was sind Vor- und Nachteile?

Moderne Insulinpumpen sind ungefähr so groß wie ein Mobiltelefon und wiegen zwischen 50 bis 100 Gramm. Dass sie so handlich und leicht sind ist wichtig, denn Diabetes-Patienten tragen ihre Insulinpumpe dauerhaft mit sich (z. B. am Gürtel, in der Hosentasche etc.). Sie versorgt den Körper kontinuierlich mit dem Hormon. Das geschieht über einen Schlauch oder eine Kanüle. Zu den Mahlzeiten ruft der Diabetes-Patient zusätzlich benötigtes Insulin aktiv ab, zum Beispiel per Knopfdruck. Die allermeisten Insulinpumpen sind sehr robust, einige sind wassergeschützt, andere müssen vor Wasserkontakt abgelegt werden.

Vor allem bei Kindern mit Diabetes und Jugendlichen sind Insulinpumpen häufig sinnvoll(er): sie lassen sich fein einstellen, vor Mahlzeiten wird so auf Knopfdruck die richtige (vorher eingestellte) Insulinmenge abgegeben. Die Daten werden automatisch übertragen und ausgewertet.

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Moderne Insulinpumpen sind ungefähr so groß wie ein Mobiltelefon- und daher sehr handlich.

Die Vorteile der Insulinpumpe

  • Sie bieten höhere Flexibilität, dadurch mehr Freiheit und Lebensqualität
  • Es ist kein Spritzen notwendig
  • Sie lassen sich spontan einstellen
  • Sie ermöglichen generell eine bessere Stoffwechseleinstellung

Die Nachteile einer Insulinpumpe

  • Für eine Pumpe muss ein Antrag bei den gesetzlichen Krankenkassen gestellt werden, die die Kosten meist nur in bestimmten Fällen übernehmen (vorher erkundigen)
  • Da kleinste Insulinmengen über mehrere Stunden auf das Basalinsulin verteilt werden, ist es schwieriger, die Therapie zu verändern
  • Patienten dürfen die Pumpe nur kurzzeitig abkoppeln

Für welche Therapieform sich Diabetes-Patienten entscheiden, hängt immer davon ab, was besser zum Behandlungsziel, dem persönlichen Alltag beziehungsweise der jeweiligen Lebenssituation und dem individuellen Budget passt. Es ist auch möglich, zwischen den beiden Methoden zu wechseln: kurzfristig, wenn es zum Beispiel im Urlaub ans Meer geht und das ständige Abnehmen und Ablegen einer Insulinpumpe zu aufwändig wäre. Oder langfristig, wenn trotz Schulung die Diabetikerpumpe nicht richtig bedient wird und der Stoffwechsel (zu) oft aus dem Ruder gerät. Grundsätzlich sollte immer angestrebt werden, den Stoffwechsel so gut wie möglich unter Kontrolle zu halten. Da sowohl Insulinpen als auch Insulinpumpe Vor- und Nachteile haben, gilt im Zweifelsfall: Wählen Sie die Methode, mit der Sie am besten zurechtkommen.


Quellen: