Entsorgen Sie Ihre Waage – und kaufen Sie sich ein Maßband! Denn für die Gesundheit ist entscheidender, wo unser Fett sitzt, als wie viel wir wiegen.
Beim Fett ist es wie mit einer Immobilie: Die Lage ist entscheidend! Darüber sind sich Ärzte inzwischen einig. Besonders gefährlich: das Bauchfett! Normalerweise lagern sich unsere Fettreserven subkutan ein, das heißt unter der Haut – unsere Reserve für schlechte Zeiten. Allerdings müssen wir die kaum mehr anzapfen. Schließlich sind wir permanent gut versorgt. Die Deutschen gehören zu den dicksten Europäern überhaupt. 59 Prozent der Männer und 37 Prozent der Frauen gelten als übergewichtig. Sind die subkutanen Reservoirs ausgeschöpft, wird das überschüssige Fett viszeral, also in den Organen gespeichert – und das ist gefährlich. „Dann lagert sich das Fett in der Leber ein, in der Bauchspeicheldrüse, im gesamten Bauchinnenraum“, erklärt Prof. Matthias Blüher, Leiter der Adipositas-Ambulanz der Uniklinik Leipzig. „Dadurch können die Organe nicht mehr richtig arbeiten. Der Stoffwechsel verlangsamt sich.“
Leider ist gerade das viszerale Fett besonders stoffwechselaktiv: Es produziert entzündungsfördernde Hormone und setzt Interleukin-6 und andere Signalstoffe frei, die bestimmte Immunzellen, die Makrophagen, anlocken. „In vielen Fettzellen sind deshalb auch diese Immunzellen nachweisbar“, sagt Prof. Blüher. Ein übergewichtiger Körper leidet dann an einer Dauerentzündung – auch wenn diese Entzündung keine Schmerzen verursacht, sodass der Betroffene sie nicht spürt. Ihre Folgen sind trotzdem gefährlich: Diabetes, Bluthochdruck, Schlaganfälle, Herzinfarkte und Krebs.
Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung konnte beispielsweise in einer Studie nachweisen: Männer mit einem großen Taillenumfang haben ein um 43 Prozent erhöhtes Risiko für Prostatakrebs – bei Männern immerhin der häufigste bösartige Tumor überhaupt und die dritthäufigste krebsbedingte Todesursache. Auch die Wahrscheinlichkeit, an Dickdarmkrebs zu erkranken, nimmt mit dem Bauchfett zu. Prof. Heiner Boeing, einer der Leiter dieser Studie, hat festgestellt: „Erwachsene, die ab dem 20. Lebensjahr jährlich mehr als 300 Gramm Körpergewicht zulegen, haben ein um 54 Prozent erhöhtes Risiko, an Dickdarmkrebs zu erkranken.“ Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei anderen Krebsarten: je mehr Bauchfett, desto größer das Erkrankungs-Risiko. Woran genau das liegt, wissen die Forscher noch nicht. Adipositas-Experte Prof. Blüher: „Man vermutet, dass die Fettzellen ständig Wachstumshormone ausschütten. Das könnte einen Tumor erst entstehen lassen oder aber sein Wachstum beschleunigen.“ Eine andere Theorie: Die Fettzellen versorgen den Tumor mit der nötigen Energie, die er zum Wachsen braucht.
Dabei zeigen übrigens Schlanke mit viel Körperfett im Bauchraum ein ähnlich hohes Krebs-Risiko wie Übergewichtige. Deshalb rät Prof. Heiner Boeing, nicht nur auf den BMI, den Body-Mass-Index, zu schauen. Dieser setzt nur die Größe eines Menschen in Relation zu seinem Gewicht. „Entscheidend ist aber gerade beim Bauchfett, dass die Proportionen stimmen – die Taille muss schmaler sein als die Hüfte.“ Für ihre Studien haben er und sein Team deshalb den Taillen- durch den Hüftumfang der Studienteilnehmer geteilt. Das Ergebnis sollte idealerweise unter 0,89 liegen. „Ganz genau lässt sich das viszerale Fett allerdings nur im MRT oder bei einer Ultraschalluntersuchung der Organe bestimmen“, sagt Prof. Blüher. Für seine übergewichtigen Patienten hat der Mediziner eine gute Nachricht: „Auch wenn man den Erfolg auf den ersten Blick nicht sieht: Bei einer Gewichtsabnahme verschwindet zuerst das gefährliche Bauchfett. Und da ist jedes Kilo ein Gewinn für die Gesundheit!“