Der Glykämische Index, auch als GLYX oder GI bezeichnet, ist ein Maß dafür, wie schnell und hoch Lebensmitteln den Blutzucker steigen lassen. Wir verraten alles, was Diabetiker dazu wissen sollten.
Je direkter ein Produkt ins Blut geht, sprich: je umgehender der Körper die darin enthaltenen Kohlenhydrate aufspalten und verstoffwechseln kann, desto höher ist dessen GI. Grundlage für die Berechnung des GLYX mit einem Wert von 100 ist Traubenzucker. Lebensmittel im Bereich zwischen 70 und 50 haben einen mittleren Glykämischen Index, alles darunter gilt als niedriger GI.
Da der Glykämische Index die Blutzuckerwirksamkeit bestimmter Lebensmittel angibt, lassen sich durch dieses Maß auch Rückschlüsse auf die Insulinausschüttung ziehen. Damit ist der GI eine durchaus nützliche und relevante Größe für Diabetiker.
Bei Diabetikern ist die Bauchspeicheldrüse unfähig, Insulin zu produzieren (Typ 1) oder die Zellen sind unempfindlich geworden und produzieren zu wenig des Hormons (Typ 2). Da Insulin wichtig ist, um den Zucker im Blut zu regulieren, haben Diabetiker bei unbehandelter Erkrankung einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel. Dieser kann die Gefäße und Nerven schädigen und Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Augen- und Nierenschäden sowie dem sogenannten diabetischen Fuß verursachen („Symptome von Diabetes Typ 2“).
Aber, und hier kommt der Glykämische Index ins Spiel, auch kurzfristige Ausschläge nach (kohlenhydratlastigen) Mahlzeiten können verschiedenen Studien zufolge vermutlich die Innenwände der Blutgefäße schädigen und so das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Diabetikern erhöhen.
Anders herum zeigte die große europäische Studie Eurodiab des Deutschen Diabetes-Forschungsinstituts, dass die HbA1c-Werte, also der durchschnittliche Blutzuckerwert der vergangenen Wochen, umso niedriger lag, je niedriger der Glykämische Index der über einen bestimmten Zeitraum verzehrten Lebensmittel war. Außerdem stiegen die Werte des als für Gefäßgesundheit und Cholesterinspiegel günstig geltenden HDL-Cholesterins.
Studien legen nahe, dass bereits einige kleine Veränderungen in der täglichen Ernährung zu positiven Effekten auf den HbA1c-Wert und das HDL-Cholesterin bei Diabetikern führen können. Verzehrt man zum Beispiel drei statt einer Portion Obst oder vier anstelle von zwei Vollkornportionen täglich, kann dies die Stoffwechselergebnisse schon verbessern. Kurz: für einen positiven Effekt genügt es, einige Lebensmittel mit hohem GI durch solche mit niedrige(re)m zu ersetzen.
Übertreiben sollte man es ohnehin nicht mit dem Essen nach GI-Prinzip. Eine sehr geringe Kohlenhydratzufuhr, wie sie beispielsweise bei der sogenannten GLYX-Diät praktiziert wird, führt nämlich zwangsläufig zu einer erhöhten Eiweiß- und Fettaufnahme, was auf Dauer die Nieren belasten und die Cholesterinwerte steigen lassen kann, wenn man nicht darauf achtet, welche Fette man zu sich nimmt (Experten empfehlen pflanzliche, mehrfach ungesättigte).
Lebensmittel mit niedrigem GI sind oft solche mit sogenannten komplexen Kohlenhydraten. Dazu gehören zum Beispiel Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. Diese Mehrfachzucker gehen, im Gegensatz zu einfachen Kohlenhydraten, langsamer ins Blut.
Einfache Kohlenhydrate: dazu zählen sogenannte Einfach- und Zweifachzucker (Mono- und Disaccharide) wie Traubenzucker (Glukose), Haushaltszucker (Saccharose), Fruchtzucker (Fruktose) oder Milchzucker (Laktose). Da einfache Kohlenhydrate nur aus ein bis zwei Zuckermolekülen bestehen, müssen sie gar nicht oder nur einmal gespalten werden, um dem Körper zur Verfügung zu stehen. Entsprechend schnell gehen Lebensmittel mit einfachen Kohlenhydraten (z. B. Weißmehlprodukte, Süßigkeiten, Limo etc.) ins Blut.
Komplexe Kohlenhydrate: die Gruppe der sogenannten Mehrfachzucker besteht aus einer komplizierteren Molekülstruktur als Einfachzucker. Der Körper braucht länger, um sie zu „knacken“, weshalb die Kohlenhydrate langsamer ins Blut abgegeben werden und der Blutzuckerspiegel entsprechend gemächlicher und gleichmäßiger steigt. Nahrungsmittel mit komplexen Kohlenhydraten sind meist stärke- und ballaststoffreiche Produkte wie Vollkornerzeugnisse, Gemüse oder Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen etc.).
Von der Art der Kohlenhydrate auf den GI zu schließen, wäre jedoch falsch. Der Glykämische Index bezieht sich nicht auf die Struktur der Kohlenhydrate. Er ist vielmehr ein Indikator für die Qualität der verzehrten Kohlenhydrate, gibt also deren Einfluss auf den Blutzuckerspiegel an. Entsprechend wird der GI bestimmt, indem man misst, wie lange und wie hoch der Blutzuckerspiegel steigt, nachdem man 50 Gramm Kohlenhydrate aus dem jeweils zu bestimmenden Lebensmittel gegessen hat. Das Ergebnis wird in Prozent angegeben.
Allerdings beeinflussen verschiedene Faktoren den GI, weshalb es sehr schwierig ist, ihn genau zu ermitteln. Zu diesen Faktoren gehören laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) zum Beispiel:
Grad der Verarbeitung des Lebensmittels: Fein gemahlenes Getreide hat beispielsweise einen höheren Glykämischen Index als Vollkorn, Kartoffelbrei einen höheren als gekochte Kartoffeln, da die körpereigenen Enzyme besser auf die Kohlenhydrate zugreifen können, wenn sie zerkleinert sind.
Äußere Einflüsse: Hitze und Feuchtigkeit bei der Zubereitung/Verarbeitung von Nahrungsmitteln können deren GI beeinflussen, da sich zum Beispiel die Stärkekonzentration in einer Kartoffel verändert, wenn man sie in Wasser kocht, selbiges eindringt und die Stärkestruktur aufbricht.
Zusammensetzung der Stärke: Lineare Molekülstrukturen sind schwerer für den Körper aufspaltbar als verzweigte. So erklärt es sich beispielsweise, dass verschiedene Reissorten verschiedene GLYX-Werte haben (gekochter Basmati-Reis ca. 57, gekochter Jasmin-Reis ca. 109).
Nährstoffgehalt der anderen Mahlzeitenkomponenten: Meist isst man Lebensmittel nicht separat, sondern in Kombination mit anderen. So können Fette und Proteine die Magenentleerung verlangsamen und so den Blutzuckeranstieg beeinflussen.
Bisher wurde der Glykämische Index noch nicht für alle Lebensmittel berechnet. Als grobe Faustregel gilt: je weniger verarbeitet ein Produkt ist, desto geringer ist normalerweise auch dessen GI. Der Blutzuckeranstieg lässt sich außerdem beeinflussen, wenn man Nahrungsmittel mit hohem Glykämischen Index mit solchen mit niedrigem kombiniert, also beispielsweise Weißbrot mit Salat oder weißen Reis mit (gekochten) Karotten isst.
Zu den Lebensmitteln mit niedrigem Glykämischem Index gehören zum Beispiel:
Da der GI aufgrund der komplizierten Ermittlung und noch recht lückenhafter Lebensmitteltabellen wenig praxistauglich ist, raten Experten, ihn bei einer Diabetes-geeigneten Ernährung nur als einen von mehreren Maßstäben anzulegen, z. B. neben den Broteinheiten (Lebensmittel mit hohem GI erfordern meist mehr Normalinsulin pro BE).
Vor allem, weil der Glykämische Index sich auf eine festgelegte Menge an Kohlenhydraten bezieht, ergeben sich Verzerrungen, wenn man nur nach dem jeweiligen GI geht, da sich die Portionsgrößen verschiedener Produkte und damit die enthaltenen Kohlenhydratmengen unterscheiden. Mittels reiner Beurteilung nach dem Glykämischen Index wären zum Beispiel Weißbrot und Wassermelone fast gleichwertig.
Deshalb wurde die sogenannte Glykämische Last (GL) eingeführt. Dieser Wert, der über die Formel GI des Lebensmittels x verfügbare Kohlenhydrate des Lebensmittels pro Portion) : 100 berechnet wird, definiert die Kohlenhydratmenge eines Nahrungsprodukts. Experten halten die GL deshalb für den aussagekräftigeren Wert, auch in der Diabetes-Ernährung.
Fazit: Trotz Schwachstellen des Glykämischen Index dürfte eine Ernährung mit Fokus auf Lebensmittel mit niedrigem GI sowohl für Typ-1- als auch für Typ-2-Diabetiker vorteilhaft sein. In Studien verbesserte sich beispielsweise die langfristige Blutzuckereinstellung beider Diabetiker-Typen um rund zehn Prozent, wenn diese den Glykämischen Index ihrer Mahlzeiten um durchschnittlich 20 Prozent senkten.