Endlich abnehmen! Als Experte für Stoffwechselerkrankungen weiß Prof. Alexander Bartelt, wie viele Menschen dieses Ziel über Jahre verzweifelt und nicht selten vergeblich verfolgen. Warum er Patienten dann zu mehr Gelassenheit rät – und wie braunes Fett helfen kann.
Herr Prof. Bartelt, Sie finden, dass zu viel auf das Körperfett geschimpft wird. Was stört Sie?
Viele Menschen sehen Fettgewebe als etwas grundsätzlich Schlechtes an, aber das stimmt nicht: Das Körperfett, über das jeder gesunde Mensch verfügt, erfüllt diverse hilfreiche Funktionen. Angefangen beim mechanischen Schutz für Gelenke, Beine und Hüfte, über die Fähigkeit, Kalorien für Mangelzeiten zu speichern bis hin zu seiner Fähigkeit, über Botenstoffe mit dem Gehirn zu kommunizieren.
Das Fettgewebe kommuniziert? Wie das denn?
Über Botenstoffe stehen die Fettzellen in ständigem Austausch mit dem Gehirn. Sind sie gut gefüllt, erhält der Hypothalamus das Signal: „Der notwendige Füllstand ist erreicht, das Essen kann reduziert werden.“ Und das Gehirn steuert wiederum die Vorgänge, die für den Aufbau beziehungsweise das Verbrennen des Fetts zuständig sind, darunter auch Appetit und Bewegungslust.
Diese Kommunikation scheint aber nicht gut zu funktionieren – in Deutschland sind zwei von drei Männern und jede zweite Frau übergewichtig…
Angesichts eines nahezu unbegrenzten Nahrungsangebots ist es sehr einfach, das Satt-Signal zu ignorieren. Geschieht das über einen längeren Zeitraum, und wird dadurch immer mehr Fettgewebe aufgebaut, kann dieses tatsächlich schädlich wirken. Dann rufen die Fettzellen um Hilfe, und das Immunsystem versucht fälschlicherweise, die Fettzellen in einer Entzündungsreaktion zu heilen. Hält dieser Prozess länger an, kann der Stoffwechsel aus dem Gleichgewicht geraten. Es gibt aber auch eine gute Nachricht: Ein gesunder Lebensstil und Gewichtabbau können das metabolische Gleichgewicht in dieser Phase wiederherstellen.
Aber nicht jedem gelingt es abzunehmen. Was dann?
Es ist tatsächlich schwer, viel Fettgewebe schnell abzubauen. Der Körper ist ja genetisch darauf gepolt, an Kalorien festzuhalten und schaltet beim Hungern schnell in den Sparmodus. Man kennt das vom sogenannten Jojo-Effekt: Wer versucht, innerhalb weniger Wochen stark abzunehmen, wiegt am Ende möglicherweise mehr als vorher. Bei Adipositas – einem BMI ab 30 – gibt es deshalb manchmal keine andere Lösung als die chirurgische Umwandlung des Magen-Darm-Trakts, also das Setzen eines Magenbands oder Magenbypasses. Patienten mit moderatem Übergewicht, die verzweifelt versuchen, einem dünnen Schönheitsideal zu entsprechen, rate ich dagegen zu mehr Gelassenheit. Denn viel wichtiger als das Körpergewicht ist der Lebensstil. Entscheidend ist, dass der Stoffwechsel in Schwung gehalten wird, durch Bewegung oder Kälte. Dann bleiben die wichtigen Werte wie Blutzucker, Blutdruck, Cholesterin im gesunden Bereich. Wenn das alles stimmt, sind ein paar Kilo mehr auf der Waage häufig kein Problem.
In Ihrer Forschung spielt das sogenannte braune Fett eine Rolle, das beim Abnehmen helfen soll. Was hat es damit auf sich?
Mithilfe bildgebender Verfahren hat man herausgefunden, dass die meisten Menschen über kleine Inseln von Fettgewebe verfügen, die wie kleine Heizöfen an der Steuerung der Körpertemperatur beteiligt sind. Die einzige Aufgabe dieses Gewebes – des sogenannten braunen Fettgewebes – ist es, den Körper warmzuhalten. Dafür verbrennt es die Kalorien aus Zucker und Fett und wandelt diese einfach in Wärme um.
Das heißt, um abzunehmen, muss man eigentlich nur frieren?
Ganz so einfach ist es leider nicht, zumal die Untersuchungen auch gezeigt haben, dass übergewichtige Menschen offenbar weniger braunes Fett haben. Wir vermuten, dass dieses Gewebe im Laufe der Zeit verkümmert und regelrecht verfettet, wenn es mit Kalorien überladen wird. Aber auch dieser Effekt lässt sich bis zu einem bestimmten Punkt umkehren, denn die braunen Fettzellen lassen sich trainieren.
Und wie?
Es ist durch Studien belegt, dass sich das Gewebe durch einen sogenannten „thermogenen Lebensstil“ stimulieren lässt. Das bedeutet, dass man sich ab und zu aus der eigenen Temperatur-Wohlfühlzone herausbewegt und kleine Kältereize in den Alltag einbaut. Wer seine mollig beheizten Räume grundsätzlich nur mit dicker Jacke, Mütze und Schal verlässt, verhindert, dass seine braunen Fettzellen richtig zum Einsatz kommen. Dann ist es nicht verwunderlich, dass diese sich beleidigt zurückziehen und verkümmern.
Kann auch eine eiskalte Dusche am Morgen das braune Fettgewebe aktivieren?
Davon rate ich vor allem vorerkrankten Patienten eher ab, weil plötzlich einsetzende und starke Kälte eine zu große Belastung für Herz und Gefäße darstellen kann. Gleiches gilt auch für das neuerdings beliebte Eisschwimmen. Wenn man so etwas plant, sollte man sich auf jeden Fall einen Freifahrtschein vom Hausarzt beschaffen und immer in Begleitung „frieren“. Aber das Eisbad ist auch gar nicht nötig. Wichtig ist, dass die Kälterezeptoren der Haut eine Chance bekommen, den Kältereiz wahrzunehmen. Ich rate Ihnen, probieren Sie mal aus, ob jetzt im Frühling statt der Mütze nicht auch ein Stirnband ausreicht. Oder statt der dicken Jacke eine Weste. Zu Hause sollte man regelmäßig gut lüften und die Heizung ruhig mal zwei, drei Grad niedriger stellen. Dann kann das braune Fett seine Aufgabe erfüllen.
Wie gut wir Nahrung verwerten und Kalorien verbrennen, hängt eng mit unserem Stoffwechsel zusammen, also den vielen biochemischen Vorgängen, die in den Körperzellen stattfinden. Studien zeigen: Zwar verfügt jeder Mensch über einen ganz eigenen Stoffwechsel, und wie effektiv er abläuft, ist von vielen Einflussfaktoren abhängig. Doch für die Wirksamkeit einiger Verhaltensweisen im Alltag gibt es klare wissenschaftliche Belege. Wir stellen die fünf wichtigsten vor: