Diabetes-Schulung: Experte in eigener Sache

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1. März 2018
Diabetes-Schulung: Experte in eigener Sache

Theorie und Praxis: In speziellen Schulungen erfahren Diabetiker, wie sie trotz ihrer Erkrankung ein gutes Leben führen können

Es gibt Krankheiten, die uns aus heiterem Himmel treffen und auf deren Verlauf wir kaum Einfluss haben. Doch andere Erkrankungen können wir durch unser Zutun gut beherrschen. Dazu gehört Diabetes mellitus Typ 2. In Diabetes Schulungen lernen Patienten den richtigen Umgang mit der Krankheit.

„Aus der Forschung wissen wir heute, was die Krankheit auslöst, welches Verhalten sie verstärkt, aber auch, was ihr Fortschreiten abbremst“, sagt die Diabetes-Beraterin Dr. Nicola Haller. „Je besser Patienten die Zusammenhänge kennen und sie im Alltag umsetzen, desto besser sind ihre Prognosen.“ Sie empfiehlt Patienten deshalb, an solchen Schulungen teilzunehmen.

Zusammenhänge verstehen – die Ziele der Schulung

Ziel der Schulung für Diabetiker ist es, Betroffene zu Experten in eigener Sache zu machen. Typ-2-Diabetiker lernen dafür zunächst die klassischen Risikofaktoren für hohe Blutzuckerwerte kennen – vor allem Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung – und erfahren, wie sie diese durch ihr Verhalten im Alltag eindämmen können.

Vielen Patienten, die noch kein Insulin spritzen, gelingt es dadurch häufig, Medikamente zu umgehen. Doch auch wer schon Insulin spritzt, kann die Dosis durch Lebensstiländerungen häufig reduzieren. Gut zu wissen: Wie eine aktuelle Studie aus Neuseeland zeigt, sinkt der Blutzuckerspiegel besonders effektiv, wenn sich Diabetiker unmittelbar nach den Mahlzeiten für zehn Minuten bewegen.

Richtiges Verhalten im Alltag mit Diabetes trainieren

Zwar wird in den Schulungen auch theoretisches Wissen vermittelt, doch vor allem lernen Betroffene in praktischen Übungen, wie sich ihr Blutzucker beeinflussen lässt. Dazu überwachen die Teilnehmer ihre Werte über mehrere Tage hinweg engmaschig und können die Auswirkung selbst kleinster Bewegungseinheiten unmittelbar nachvollziehen. Ein anderer wichtiger Baustein: Patienten lernen, tückische Zuckerfallen zu erkennen. Dass Fertiggerichte große Zuckermengen enthalten, ist den meisten Menschen bewusst. Doch überraschend für viele ist, wie viel Zucker etwa in Ketchup (22 g pro 100 g) oder auch in einigen Obstsorten wie Weintrauben (16 g pro 100 g) steckt.

Folgeerkrankungen vorbeugen

Ein wichtiger Bestandteil des Unterrichts ist es zudem, Folgeschäden der Krankheit vorzubeugen. Eine effektive Fußkontrolle gehört etwa zu den wichtigsten Lernzielen, denn viele Diabetiker leiden unter Nervenstörungen und verlangsamter Wundheilung: Schon kleinste Verletzungen können für sie gefährlich werden. Neben regelmäßiger Begutachtung der Füße sollten Betroffene etwa mit warmkalten Wechselduschen das Temperaturempfinden testen.

Wer Insulin spritzt, übt im Kurs zudem ein, die Kohlenhydratmenge verschiedener Mahlzeiten einzuschätzen und daraus die richtige Insulin-Dosis abzuleiten. Ein weiterer Baustein der Schulung: Informationen über neue Methoden der Diabetes-Behandlung und Tipps, wie sich Betroffene und Angehörige in Notfallsituationen (z. B. Unterzuckerung) verhalten.

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Nervenstörungen und eine verlangsamte Wundheilung können durch eine effektive Fußkontrolle vorgebeugt werden.

Bei Komplikationen: Diabetes-Schulung in der Reha-Klinik

In besonderen Fällen kann der Arzt anstelle einer ambulanten Diabetes-Schulung auch einen mehrwöchigen Aufenthalt in einer Reha-Klinik verordnen. Das gilt vor allem für Patienten, die unter mehreren (Folge-)Erkrankungen leiden – etwa orthopädischen Problemen, Nervenstörungen oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Aber auch extremes Übergewicht und eine Therapie-Umstellung kann die Kur nötig machen. Patienten besprechen das am besten mit dem behandelnden Arzt.

So funktioniert’s: Wie erhalte ich eine Schulung?

Die Schulungsprogramme werden vom Hausarzt oder Diabetologen verordnet und finden in diabetologischen Fachpraxen oder spezialisierten Hausarzt-Praxen mit sogenannten Disease-Management-Programmen (DMP) statt.

Die Inhalte der Kurse sind auf die jeweiligen Teilnehmer zugeschnitten – Diabetes-1-Patienten, Diabetes-2-Patienten (jeweils mit oder ohne Insulintherapie) sowie Diabetiker mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Kosten werden von der Krankenkasse getragen. Ob eine Einzel- oder Gruppenberatung infrage kommt, klären Patienten am besten mit dem behandelnden Arzt. Tipp: Viele Betroffene profitieren vom Erfahrungsaustausch und dem Gemeinschaftsgefühl in den Gruppenprogrammen.

Die Expertin Dr. Nicola Haller im Interview

Warum empfehlen Sie Diabetikern, eine Schulung zu machen?

Wir verfügen heute über umfangreiches Wissen zu den Auslösern der Krankheit und zu den Faktoren, die sie jeweils verstärken oder abbremsen. Je besser sich Patienten mit diesen Zusammenhängen auskennen und je besser sie ihr Wissen im Alltag umsetzen können, desto besser sind auch ihre Prognosen.

Kann das denn nicht einfach der Arzt erklären?

Der Arzt, der die Diagnose stellt, hat nicht genügend Zeit, um das umfangreiche Wissen zu vermitteln, das Patienten für einen guten Umgang mit ihrer Krankheit benötigen. In einer Schulung werden zudem nicht nur die Zusammenhänge erklärt, sondern neue Verhaltensweisen werden auch praktisch eingeübt, damit der Betroffene sie langfristig in seinen Alltag integrieren kann.

Was lernen die Patienten in den Schulungen konkret?

Die Kurse basieren auf vier Säulen:

  • Wissen
  • Therapie
  • Bewegung
  • Ernährung

Die Betroffenen erfahren, wie sie ihre Blutzuckerwerte richtig messen und – wenn sie Medikamente nehmen müssen – diese richtig anwenden. Sie erfahren zudem in praktischen Übungen, wie sich die Werte durch Bewegung im Alltag sowie gesunde, kalorienarme Ernährung positiv beeinflussen lassen.

Dr. Nicola Haller, Diabetesberaterin
Ärztehaus Vincentinum, Augsburg