Diabetes bei Kindern? Die Kleinen sind energiegeladen, lebensfroh, aktiv, neugierig, wild, verspielt – was auch immer man mit ihnen verbindet, eine chronische Krankheit dürfte den wenigsten als Erstes einfallen.
Dennoch ist Diabetes mellitus die häufigste Stoffwechselerkrankung in jungen Jahren: Die Deutsche Diabetes-Hilfe schätzt, dass in Deutschland rund 30.000 Kinder und Jugendliche bis 19 Jahren an Diabetes Typ 1 erkrankt sind. Tendenz steigend. Diabetes Typ 2, der nicht angeboren, sondern erworben ist, kommt zwar seltener bei jungen Menschen vor, dennoch dürften ihn Schätzungen zufolge immerhin knapp 5.000 Kinder und Jugendliche hierzulande haben.
„Für immer krank“ sein – das klingt schon in Erwachsenenohren unangenehm. Für Kinder ist die Diagnose Diabetes oft ein echter Schock und nur schwer zu begreifen. Manche reagieren wütend, andere ängstlich wieder andere glauben, dass sie selbst daran schuld sind, dass sie Diabetes Typ 1 bekommen haben, weil sie zu viele Süßigkeiten essen. Dann ist es wichtig, dass Eltern und behandelnder Arzt viel Verständnis zeigen und dem Kind so einfach wie möglich erklären, was Diabetes ist und wie man sich so verhält, dass man (fast) ganz normal weiterleben kann. Wenn ein Kind versteht, was mit ihm los ist, fällt es ihm oft leichter, mit der Krankheit umzugehen.
Aktuell ist noch sehr wenig über die Ursachen von Diabetes bekannt – bei Kindern ist die Studienlage noch dünner ist als bei Erwachsenen. Derzeit läuft eine weltweite Studie, TEDDY (The Environmental Determinants of Diabetes in the Young bzw. Die für Diabetes bei Kindern und Jugendlichen verantwortlichen Umweltfaktoren), bei der Daten von 7.000 Kindern gesammelt und ausgewertet werden.
Experten vermuten außerdem, dass neben Umweltfaktoren auch bestimmte Viren (z. B. Mumps- oder Masernerreger) das Immunsystem aus dem Tritt bringen und Diabetes so begünstigt wird. Darüber hinaus scheinen genetische Faktoren eine Rolle zu spielen. Kinder, deren Mutter oder Vater Diabetes Typ 1 haben, bekommen es mit höherer Wahrscheinlichkeit auch – die Erkrankung wird aber bei Weitem nicht immer vererbt.
Im Prinzip unterscheiden sich die Diabetes-Symptome bei Kindern nicht sehr von denen bei Erwachsenen. Die kleinen Patienten sind müde und schlapp, haben großen Durst und müssen häufiger zur Toilette. Ein Warnzeichen kann sein, wenn Kinder bis zehn Kilo Körpergewicht deutlich mehr als einen Liter pro Tag trinken und Kinder mit rund 30 Kilogramm Körpergewicht wesentlich mehr als eineinhalb Liter. Durch die große Flüssigkeitsmenge kann es passieren, dass Kinder, die bereits „aus den Windeln“ waren, wieder beginnen, ins Bett zu machen. Sinkt der Blutzucker zu weit ab, können die kleinen Patienten Bauchschmerzen bekommen, sich erbrechen oder sogar in Ohnmacht fallen.
Egal, welches Alter: Bei Typ-1-Diabetes führt an Insulin kein Weg vorbei. Eine konservative Insulintherapie lässt sich bei kleine(re)n Kindern noch gut durchführen, da sie meist feste Essens- und Schlafenszeiten haben. Flexibler, und damit für Schulkinder und mehr Freiheit bei Freizeitaktivitäten geeignet, ist eine funktionelle Insulintherapie, bei der verschieden schnell wirkende Insuline kombiniert werden. Natürlich ist es für Kinder zumindest am Anfang ungewohnt, dass sie regelmäßig ihren Blutzucker messen und Insulin spritzen müssen. Meist gewöhnen sie sich aber schnell daran, und Schulkinder übernehmen beide Aufgaben oft schon selbst – unter elterlicher Aufsicht, versteht sich. Tipp: In Diabetesschulungen lernen Patienten und Angehörige den richtigen Umgang mit der Krankheit.
Eine weitere Möglichkeit ist eine Insulinpumpe. Laut Deutscher Diabetes-Hilfe tragen mehr als 5.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland mittlerweile eine. Der Vorteil: das Gerät ist klein (in etwa wie eine Streichholzschachtel) und gibt selbsttätig über den Tag verteilt Insulin ab. So müssen die kleinen Patienten nicht ans Spritzen denken und können essen, wann sie möchten. Manchmal hilft ein solches Gerät sogar, um den Nachwuchs zumindest für ein paar Stunden die Krankheit komplett vergessen zu lassen.
Allerdings muss die Pumpe regelmäßig darauf eingestellt werden, wie viel Insulin sie abgeben soll. Und bei Heranwachsenden, deren Körper sich noch entwickelt, kann sich die notwendige Menge verändern. Deshalb muss man auch mit Pumpe täglich mehrmals die Blutzuckerwerte bestimmen und penibel aufschreiben. Die gute Nachricht: Kinder entwickeln nur sehr selten Folgeerkrankungen. Dennoch sollte ein Arzt regelmäßig unter anderem die Blutwerte, die Nerven- und die Nierenfunktion kontrollieren und das Kind auf eventuelle Unverträglichkeiten (Gluten o. ä.) testen.
Mit der entsprechenden Therapie und regelmäßiger ärztlicher Kontrolle schränkt Diabetes ein Kind für gewöhnlich nicht in seiner Entwicklung ein. Gewicht, körperliche Leistungsfähigkeit und Entwicklung unterscheiden sich dann nicht von gesunden Kindern und Jugendlichen. Auch bei Schulausflügen oder Freizeitspaß mit den Freunden können junge Diabetiker dabei sein. (Fast) ganz normal eben.